"Jeder Colt hat seinen eigenen Klang,
    und der hier kommt mir bekannt vor!"

                                                                   (Clint Eastwood)

Unser Gitarrenwald besteht z.Zt. aus 30 verschiedenen Äxten, die je nach Lust und Laune oder Sound-Erforderlichkeiten zum Einsatz kommen:

Die Telecasterfraktion erstreckt sich über mehrere, ganz unterschiedlich bestückte Versionen, die teils als komplette Gitarre gekauft wurden, oder durch Einzelteilkombination zusammengesetzt worden sind. Andere Single-Coils werden per Strat gespielt oder als Duesenberg-Pickups auf einer Schecter-Strat. Eine Les Paul Junior steht allein da mit P 90-Pickups und ein paar sonstige Les Pauls oder SGs mit normalen Humbuckern. Zwei Harley Benton-Semiakustik-Gitarren mit Messing-Hardware eröffnen die Abteilung der Non-Solidbody-Gitarren. Und, und, und...

Hier sind zwei, seit Jahrzehnten schwer benutzte Bretter:

Vielbenutzte Schecter GitarreVielbenutzter Fender Precision Bass

 

 

 

 

 

 

"Just let me hear some of that Rock and Roll music"
                                                                                (Chuck Berry)

Was wäre der Rock'n'Roll ohne seinen charakteristischen Sound?
Die soundtechnischen Möglichkeiten Anfang der fünfziger Jahre waren im Vergleich zu heute wahrlich bescheiden. Trotzdem hat die Musik dieser Epoche einen unverwechselbaren und prägenden Eindruck hinterlassen. Wie so oft, fügten sich damals einige Dinge zusammen, die diesen Sound hervorbrachten.

Gibson Blues Hawk mit P 90 PickupsDa wäre zuerst die besondere Stellung zu erwähnen, welche die Gitarre im Laufe der Zeit allmählich einnahm. Anfang der fünfziger Jahre waren die Musiker und ihre Instrumente noch überwiegend in Gruppierungen aufgestellt, die aus der Zeit des Swings und der Big Bands hervorgegangen sind. Es dominierten bis dato akustische Instrumente wie Saxophon, Trompete, Klavier oder Schlagzeug. Die Gitarre war innerhalb dieser Formationen in den meisten Fällen nur ein Instrument am Rande und wurde - bis auf wenige Ausnahmen - oft nur zur rhythmisch-melodiösen Ausschmückung des Orchesters eingesetzt.

Doch durch die zunehmende Elektrifizierung wurde die Gitarre immer stärker in den Mittelpunkt gerückt, während sich gleichzeitig die Zusammensetzung der Musiker und ihre Instrumentierung veränderten. Die meisten Bands verkleinerten sich und wurden in ihrem Klang dichter und lauter. Teilweise waren es nur noch drei oder vier Musiker in einer Gruppierung, die aber einen sehr konzentrierten und dynamischen Sound produzieren konnten.

Als ein wichtiger Vorreiter für die Entwicklung der elektrischen Gitarre sei an dieser Stelle der Musiker, Tontechniker, Erfinder und Produzent Lester William Polsfuss, auch als Les Paul bekannt, genannt.
Er entwickelt schon Anfang der vierziger Jahre den Prototyp einer Solidbody-Gitarre, also einer Gitarre, deren Korpus nicht wie sonst üblich aus einem Hohlkörper besteht, sondern als massives "Brett" konstruiert ist.

Der Vorteil einer solchen Bauweise bestand darin, dass die Gitarre nicht mehr so empfindlich auf die unvermeidliche Rückkopplung mit einem Verstärker reagiert und der Ton der Saiten länger und intensiver ausklingen kann. Dadurch konnte eine Gitarre über den Verstärker auch wesentlich lauter gespielt werden, als es bisher üblich war. Leider wurde seine Konstruktionsidee von den etablierten Gitarrenherstellern - damals in erster Linie die Firma Gibson - nicht gleich angenommen, sondern erst Anfang der fünfziger Jahre als die allseits bekannte Les Paul-Gitarre auf den Markt gebracht.

Fender TelecasterDieses Grundprinzip griff der passionierte Elektrotechniker Leo Fender um 1950 auf und produzierte mit dem Modell Telecaster die erste markttaugliche Solidbody-Gitarre, deren einzelne Teile quasi am Fließband hergestellt und zum Zwecke der Massenproduktion praktikabel zusammengesetzt werden konnten. Gleichzeitig bemühte er sich auch, seine Gitarren an den Bedürfnissen und Wünschen der Musiker anzupassen. So entstand schon bald die Stratocaster, die als zweites Modell in Folge ab 1954 sehr erfolgreich produziert wurde und seit dieser Zeit die Ikone für Gitarrenmusik per se darstellt.

Fender produzierte Gitarren, die leicht zu handhaben aber gleichzeitig auch vielseitig einzusetzen waren. So wurde beispielsweise für die Stratocaster an der unteren Saitenbefestigung ein spezieller Hebelmechanismus entwickelt, der es ermöglichte, dass die Tonhöhe aller Saiten während des Spielens manuell verändert werden konnte. Damit ging Leo Fender seinerzeit auf die Wünsche der Musiker ein, die den damals sehr populären Hawaii-Gitarren-Sound auch als Spieleffekt auf ihren normalen Gitarren erzeugen wollten.

Dieser Effekt der so genannten Tremolo-Bar - auch als "Wimmer-Haken" bekannt - wurde Anfang der sechziger Jahre im Zuge der "Surf-Music" und in Instrumentalstücken von Bands wie den Shadows oder den Ventures durch intensive Handarbeit eingesetzt sowie später besonders durch die außergewöhnliche Spieltechnik von Jimi Hendrix exzessiv ausgereizt.

Untere Saitenführung Fender TelecasterFender war aber bei Weitem nicht der Einzige, der technisch interessante Gitarren herstellte. Wie schon erwähnt, war die Firma Gibson schon lange im Geschäft und baute qualitative Modelle, die besonders im Jazz- und Bluesbereich eingesetzt wurden. Ab Mitte der fünfziger Jahre produzierte Gibson neben der Les Paul weitere neue Modelle, die - ähnlich wie die Telecaster und Stratocaster von Fender - zu klassischen Vorbildern des Gitarrenrocks wurden, wie beispielsweise die ES-335 - die typische Chuck Berry-Gitarre - oder die futuristisch gestylte Flying V, die besonders im Laufe der sechziger Jahre auf den Bühnen gesehen wurde. Und wie würde das Gitarrenspiel von Eddie Cochran und vieler Rockabilly-Gitarristen wohl klingen, hätte es nicht den herrlichen Sound der Gretsch-Gitarren gegeben? Ebenso waren die Gitarren von Rickenbacker maßgeblich am typischen Soundbild der Beatles und vieler anderer Gruppen der Swinging Sixties beteiligt.

Humbucker an der Bridge einer Semiakustik-GitarreSeit Mitte der dreißiger Jahre werden die Schwingungen der Saiten über Tonabnehmer abgenommen, die aus einer Magnetspule bestehen und als Single-Coils bezeichnet werden und - je nach Gitarrenmodell - einen ganz typischen, meist höhenreichen und klaren Klang besitzen. Diese Pickups sind jedoch anfällig für elektrische Schwankungen und erzeugen besonders in der Nähe des Verstärkers laute Nebengeräusche. 1957 wurden Tonabnehmer entwickelt, die aus zwei gegenläufigen Magnetspulen bestanden und die Störgeräusche damit neutralisieren konnten. Diese "Humbucker" waren durch ihre Konstruktion im Klang etwas dumpfer, hatten aber eine wesentliche höhere Ausgangsleistung, wodurch das Gitarrenspiel lauter, prägnanter und "angezerrter" wurde, was auch oft erwünscht war und als natürlicher Effekt eingesetzt wurde. Dies festigte zusätzlich die neue und exponierte Stellung der Gitarre seit Beginn jener Epoche.

Johnny B.Loud

Elektronenröhren in BetriebDie Gitarren und auch andere Instrumente müssen ausreichend verstärkt werden, damit die Musiker das Publikum richtig einheizen können. Die fünfziger und sechziger Jahre waren die goldenen Jahrzehnte der Röhrenverstärker, die auch heute noch immer eine wichtige Rolle spielen. Auf den ersten Blick haben Röhrenamps scheinbar viele Nachteile: Sie wiegen sehr viel und sind größer gebaut, die Elektronenröhren sind sehr empfindlich und erzeugen im Betrieb eine große Hitze. Außerdem verbrauchen sie - im Vergleich zu Transistorverstärkern oder virtuellen digitalen Verstärkermodellen wesentlich mehr Strom. Aber der warme, lebendige und druckvolle Klang, den ein Röhrenverstärker erzeugt, wenn er seine Betriebstemperatur erreicht hat, ist unnachahmlich.

Fender AmpMarshall AmpAuch hier war es in den USA vorrangig die Firma Fender, die passend zu ihren Gitarren hochwertige Amps entwickelte. In England benutzten die Bands überwiegend Verstärker der Firma Vox. Bis Anfang der sechziger Jahre waren die Kapazitäten der handelsüblichen Röhrenverstärker für die damaligen Hörgewohnheiten durchaus passabel. Aber seit der Beatlemania immer größere Hallen beschallt werden mussten, stießen die Verstärker schnell an ihre Grenzen. Der Londoner Schlagzeuger und Musikalienhändler Jim Marshall begann durch die Anregung befreundeter Rock-und Bluesmusiker leistungsstarke Röhrenamps zu entwickeln, die unter anderem durch The Who und Jimi Hendrix mit ihrem speziellen Sound als Marshall-Verstärker in die Geschichte eingegangen sind.

Potis am Marshall AmpPotis am Fender Amp

 

Good Vibrations

Echolette BoxDie vielen unzähligen Sound-Effekte, die ein Gitarrist heutzutage einsetzen kann, um damit seinen ganz individuellen Sound zu gestalten, waren früher noch nicht verfügbar. Es gab in den Fünfzigern nur ganz wenige Effektmöglichkeiten, die überhaupt zur Verfügung standen und diese waren meist auch nur einzelne Erfindungen oder selbst gebaute Konstruktionen von Tontechnikern und Hobbybastlern. Die am häufigsten verwendeten und beliebtesten Effekte waren der Hall und das Echo (Reverb und Delay), welche die Musik dieser Zeit ganz typisch geprägt haben.

Integriertes Echolette BandechoDer Halleffekt war schon meist in den Gitarrenverstärkern in Form einer Hallspirale als fester Klangeffekt eingebaut und einige Twang-Gitarristen machten davon ausgiebig Gebrauch. Der Echoeffekt wurde durch ein Zusatzgerät erzeugt, welches das Gitarren- oder Mikrofonsignal aufnahm und kurz darauf mit einer gewissen Verzögerung wiedergab. Diese Geräte waren so genannte Band-Echos, in denen eine Tonbandschleife sich ununterbrochen über mehrere Aufnahme- und Wiedergabeköpfe bewegte. Wegen der relativ großen mechanischen Beanspruchung und dem schnellen Verschleiß der Tonbandschleife, war der Klang des erzeugten Echos oft etwas verwaschen und schwankend, was aber den typischen Sound dieses Effektes ausmachte. Teilweise wurden diese Bandechos auch stationär in die Gitarrenverstärker mit eingebaut. Ein weiterer Effekt war außerdem das Vibrato oder Tremolo, das direkt durch definierte Spannungsschwankungen der Signallautstärke im Verstärker erzeugt wurde und in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität wiedergegeben werden konnte.

 

"Rock and Roll was meant to be noisy"
                                                     (Eddie Kramer)

Amplifier Voltage SettingDas Beeindruckende am authentischen Rock'n'Roll ist die Einfachheit der Musik in Verbindung mit einer wilden Lebensenergie, die durch die Performance des Sängers und der Musiker herausbricht. Guter Rock'n'Roll entsteht im Unterleib und war schon immer ein Ausdruck von Rebellion und Unangepasstheit gewesen, die in den fünfziger Jahren sehr effektiv über das Medium der Musik transportiert wurde. Deswegen wirken die frühen Stücke des Rock'n'Roll oft so originell und energiegeladen und lassen noch immer die große Unruhe und Aufbruchstimmung dieser Generation nachklingen. Nur allein schon wie Jerry Lee Lewis sein Piano bearbeitet hat oder wie Elvis beim Singen anfangs so zappelig war, dass man für die Aufnahmen gleich mehrere Mikrophone hinstellen musste, offenbart die aggressive Kreativität dieser Generation. Heute bekommen die Kids Ritalin verschrieben, wenn Sie zu aufgedreht sind und ihr Verhalten zu unbequem ist, damals haben sie einfach lauten Rock'n'Roll gemacht.

Diese Energie wurde unter den unterschiedlichsten Bedingungen eingefangen und aufgenommen.
Die Messlatte für den ultimativen Sound aus dieser Zeit sind noch immer die Aufnahmen, die der Musikproduzent Sam Phillips in seinem berühmten Sun Studio in Memphis, Tennessee produzierte. Aber auch die vielen Sessions, die damals in den Chess Studios in Chicago stattfanden oder die ersten Plattenaufnahmen im Jahre 1956 von Gene Vincent in Nashville und Johnny Burnette in New York waren in ihrem individuellen Soundbild einzigartig. Neben der speziellen Studioatmosphäre und der jeweiligen Aufnahmetechnik waren es oft die Begleitmusiker, die neben den eigentlichen Stars mit ihren coolen Instrumentierungen unverwechselbare Melodien und zeitlose Hits erschufen. Dazu gehören Gitarristen wie Scotty Moore (Elvis Presley), Cliff Gallup (Gene Vincent & The Blue Caps), Paul Burlison (Johnny Burnette Rock'n'Roll Trio), James Burton (Ricky Nelson) oder Bassisten wie Willie Dixon. Ebenso war der Backgroundgesang von Sängern wie den Jordanaires über viele Jahre ein wichtiger Teil für den Elvis-typischen Sound.

InstrumenteDamals wurden Aufnahmen mit allen anwesenden Musikern gleichzeitig und in einem Stück gemacht. Groß angelegte Multitracking-Verfahren, in denen die Spuren alle einzeln und nacheinander aufgenommen wurden, waren noch nicht üblich und es gab auch keine Synthesizer und kein Sampling. Alles war Handarbeit und die Musiker mussten noch selbst alle benötigten Instrumente spielen. Nur selten wurden die Aufnahmen mit Overdubbing oder einem späteren Orcherstermix nachbearbeitet, vorausgesetzt die entsprechende Technik war vorhanden. Dementsprechend "unperfekt" waren viele Aufnahmen aus dieser Zeit, verglichen mit den heutigen technisch sehr aufwendigen und anspruchsvollen Studioproduktionen. So gab es manchmal - je nach Studio und Session - eine Menge akustischer oder musikalischer Artefakte, die aber gerade den Reiz dieser Aufnahmen ausmachen: Rhythmusschwankungen, verpasste Einsätze, verstimmte Instrumente, knarzige Verstärker, quietschende Schlagzeug-Fußmaschinen, erhöhte Rauschpegel, einseitige Aussteuerung, Netzbrummen, Trittschall, Hintergrundgeräusche von Ventilatoren, Klimaanlagen, Autohupen, Türenschlagen und vieles mehr. Manche zufällige "Störung" war willkommen und wurde absichtlich beibehalten, wie beispielsweise defekte Röhren an Gitarrenverstärkern, die oft zu einer erhöhten Anzerrung (Distortion) führten. Genau solche Dinge machen die Musik dieser Zeit so authentisch und lebendig und so sollte sie auch gespielt werden.

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